Vorwort

Die Fotografie war lange ein verkanntes Medium: Noch bis in die 70er-Jahre waren Illustratoren am Werk, welche die neuen Moden auf Papier brachten oder Autos mit Airbrushes oder anderen Techniken werbewirksam in Szene setzten. Mit der Werbung begann ein neues Zeitalter der Fotografie, das bis heute anhält, wenngleich im automobilen Bereich das Composing resp. das Rendering extrem sehr viel können.

Wann das Rendering die Fotografie vollständig ersetzt haben wird und ob überhaupt, wird nicht allein von den Kosten abhängen, sondern auch von der Akzeptanz der Rezipienten. Fotos prägen (noch immer) unseren ästhetischen Zugang zur realen Welt…….

Jedoch soll es in diesen Beiträgen nicht darum gehen, über Werbung zu sprechen, sondern darüber, wie man eigentlich ein Auto so fotografiert, dass es gut aussieht.

Diese Beiträge sind verfasst für liebe Menschen, die noch keine wirkliche Ahnung  davon haben,  was sie da eigentlich machen sollen. Dies hier soll die Basis bieten, um überhaupt damit frohen Mutes zu beginnen!

Das ist die Zielsetzung.

#Was ist ein Auto?

Aus der Sicht eines Fotografen und verkürzt gesagt: ein Designobjekt mit Zweckaspekten. Wir gehen vom Objekt neutral aus und es hat Gemeinsamkeiten mit dem Menschen als Subjekt: Es hat Form, Farbe, Gestalt, Struktur, Duft und die grundlegende Qualität, in Bewegung sein zu können.

Obendrein verfügt es über die Idee eines Gestalters, Erfinders, Designers, oder einfach: Schöpfers. All diese Eigenschaften verhelfen dem Auto gleich einem Menschen, einem Haus, einem Stuhl, auch der Natur, zu etwas Einzigartigem: zu einem Wesen nämlich. Als Fotograf bist du nie zufällig da, also gilt es zu erkennen, welches Wesen dem Auto inneliegt. Das Wesen erfasst zu haben wird dir das Bild geben, das du willst. Allerdings nicht nur, denn eine große Rolle spielen dabei der Ort (die Location), das Licht, das Wetter und vor allem Form und Farbe des Wagens.

 

 

#Wie komme ich zu einem Auto?

Hast du ein lässiges Auto? Nein? An attraktive Autos ranzukommen ist leichter, als man glauben würde. Du musst halt hingehen und fragen. Kennst du jemanden in der Nachbarschaft, der ein adrettes Vehikel oder womöglich sogar einen Oldtimer besitzt, so frag einfach und tausche seinen Zeitaufwand bzw. seine temporäre Leihgabe gegen deine Bilder (TFP= Time For Prints).

 

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Nett gefragt, Corvette bekommen

 

Auch Oldtimer-Museen sind interessante Orte zum Finden schöner Begehrlichkeiten. Wie sagt man? Man muss halt reden mit den Leuten….

Möchtest du ein Auto von einem Händler, so wirds leicht komplizierter, wenngleich nicht wirklich. Händler können dir einen Vorführer leihen mit dem Vorteil, dass die Autos versichert sind mit einem Selbstbehalt im Schadensfall.

Gebrauchtwagenhändler dagegen vertrauen dir ein Auto an, wenn du den Vertrag unterschrieben hast, der dich verpflichtet, jeden Schaden vollumfänglich zu blechen. Wenn du dann unterwegs bist mit einer Corvette Z06 Performance und sie kaltverformst, wirst du demnach lange, lange, lange abzahlen.

Wichtig, nebenbei: Mach dem Händler klar, dass du keinen Autotest machst, sondern den Wagen nur fotografieren willst. Das könnte seine berechtigten Bedenken mildern, dass er dir mehr Pferde an die Leine gibt, als du reiten kannst….also fahre den Wagen mit Bedacht.

Geschehen kann immer was und wenn du einen Kratzer reingemacht hast, sei ehrlich und gib es zu. Alles lässt sich reparieren außer der eigene Ruf!

#Was brauche ich an Equipment?

Eh klar: Je besser die Kombi Kamera/Objektive, desto besser die Bilder. Aber: Mit einem guten Handy geht sich schon was aus, high-end wird´s dennoch nicht werden können. Wenn du mit einer Systemkamera knipst, so sollte das Objektiv eine Brennweite haben, welche die Formen nicht verzerrt…….

Und Licht? Natürlich kann man mit Kunstlicht arbeiten, aber das setzt voraus, dass man eines hat. Weil das die Wenigsten haben und weil das Prozedere damit recht aufwändig ist, arbeiten wir in diesem Beitrag weitestgehend mit available light, also dem Licht, das gerade da ist.

 

Demnach ist dein wichtigstes Equipment: deine Kamera, vielleicht ein Stativ, fusselfreie Putztücher, ein milder Allesreiniger, im Fall ein Felgenspray. Denn das Auto, das du übernehmen wirst, wird zwar sauber sein, aber meistens bloß waschstraßensauber. Das bedeutet eingetrocknete Wassertropfen und die sieht man am Foto. Im Innenraum brauchst du auch noch einen Staubsauger, denn Photoshop kann viel, ist aber von Adobe, nicht von Miele.

Heutzutage übliche Klavierlack-Oberfächen oder Touchscreens zu reinigen ist ebenfalls schwerst möglich in der Nachbearbeitung, außer du hast endlos Zeit und einen Hintern aus Marmor.

 

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Je nachdem, wie lange du das Auto hast oder wieviele Locations du ansteuerst: Du wirst mit Putzen beschäftigt sein. Mit der Zeit kennst du alle Örtlichkeiten zum Dampfstrahlen und lederst ab, anstatt Yoga zu machen.

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Die Location

#Radius

Die Eigentümer der Autos wissen es nicht explizit zu schätzen, wenn du ihren Wertgegenstand im Sonnenuntergang am Nordkap inszenieren möchtest.

Deshalb ein Anhaltspunkt: 200 Kilometer als Fahrleistung sind seriös, mehr nur nach Absprache. Deine Location sollte sich also in der Region befinden, der Mittelpunkt des Radius ist der Standort des Wagens.

#Ort

Es hat sich Folgendes bewährt: Man nehme sein Auto, besser noch ein leichtes Motorrad und schwinge sich offenen Auges durch die Landschaft. Verdächtig gute Ort lichte man mit dem Handy ab und lege sich am Rechner ein Archiv zu, das die Locations in Gebiete ordnet.

 

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Je nach geliehenem Auto suche man sich dann die passenden Locations aus. Am Weg dorthin und zurück schaue man sich je nach Licht und Wetter nach weiteren Möglichkeiten um.

 

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Form und Farbe des Wagens sind vorentscheidend in der Wahl des Platzes.

Man sollte in jedem Fall darauf achten, dass es sich um keinen Ort handelt, der solcher Gestalt ist, dass der Wagen keinen Platz mehr hat in der Gesamtinformation des Bildes. Man tut gut daran, sich der Einfachheit hinzugeben, um das Auto selbst wirken zu lassen.

 

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Ort passt: dezente Bildinformation

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Ort passt irgendwie zum Wagen

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Ort passt: klassisches, simples Bild

Nicht vergessen darf man eines: Jede Location besteht nicht nur aus der Draufsicht, sondern noch weiteren Seiten, die sich im Lack des Autos wiederspiegeln, so er nicht matt ist. Auch unerwünschte Spiegelungen sind in der Nachbearbeitung sehr schwer oder unmöglich zu retouchieren.

 

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Ist eine Location besonders vielseitig – und gute Locations zu finden ist wirklich nicht so einfach – wirst du sie wahrlich mehr als einmal verwenden. Nie aber mit dem selben Licht!

Für gewöhnlich aber ist ein Ort nach einem Shooting „verbraucht“. Das bedeutet, dass man mit den Orten sparsam umgehen sollte. Während man in einer Stadt zwar immer wieder ein neues Fleckerl finden kann, sind die wirklich guten Locations rar (so wie gute Architektur).

 

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So ein Motiv geht genau einmal

 

Übrigens: Die Jahreszeiten, das jeweilige Wetter und das damit vorgegebene Licht entscheiden mit, wo es passt und wo nicht. Manchmal muss man improvisieren und manchmal, so ehrlich muss man sein, geht´s nicht, obwohl man sich bemüht.

 

#Wo darf ich?

Du kannst das Auto überall hinstellen, solang es vor etwas ist. Die sogenannte Panoramafreiheit endet beim Tor, bei der Einfahrt, also dort, wo es privater wird.

Auch hier gilt: fragen gehen. Zumeist wirst du lieben Menschen begegnen, welche dir helfen wollen. Ansonsten: Wer lang frägt, geht lang irr! Alles ist im Grunde bis auf Widerruf gestattet. Und wenn man niemanden findet, den man um Erlaubnis fragen kann, so hat man schon ein Argument im Falle des Widerrufes! In jedem Fall: Fasse dich kurz und sei schnell wieder weg……

 

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Schwer im Kriminal: RS6 auf dem Hubschrauberlandeplatz bzw. im Fahrverbot, aber die Location war so verlockend.

 

Je exklusiver das Vehikel, je auffälliger es auftritt, desto mehr Interesse wirst du damit erwecken. Such dir prinzipiell stille Ecken damit. Oder nimm dir Begleitung mit!

In Teil 2 geht´s auch um dieses Thema!