Wenn die stille Zeit vorbei ist, wird es auch endlich wieder ruhiger (Karl Valentin).

Jetzt gerade aber ist es sehr still und die Zeit für ein kurzes Innehalten und Nachdenken da. Was zum Teufel war heuer alles los?

Glaubt bitte nicht, dass es nun um die unfassbar dümmlichen Entwicklungen des Weltgeschehens geht. Nein, es ist ein kurzer Rückblick auf dieses Jahr aus der Perspektive des Tuns, denn auch heuer war ich wieder mal der Erste und der Letzte.

Der Erste zu sein ist im beruflichen Kontext logisch: Als Fotograf ist man das immer irgendwie. Da fotografiert man z.B. den Werdegang eines Hauses und ist nach Fertigstellung der Erste, der es ablichtet. Noch vor den Eigentümern werde ich der Erste gewesen sein, der im Haus rumgeputzt und Umzugskartons vor der Kamera versteckt haben wird.

Der Garten wird begrünt sein und anstatt der umliegenden Baustellen herrschen Wald und Wiese, dem Photoshop sei gedankt!

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Im Fall von Automobilen ruft aber nicht immer, wenngleich zumeist, der Erbauer, sondern was anderes.

Der Wunsch, der Erste zu sein, etwa.

Geschehen heuer im Falle Projekt Austrodaimler, das mich deshalb anzog, weil ich keine guten Bilder von diesem seltsamen, aber faszinierenden Wagen finden konnte. Die Gespräche mit dem Erbauer verliefen tiefensymphatisch und mündeten in Taten: Zwei Shootings vorerst, ein drittes möchte folgen.

 

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Die Marke Austrodaimler, welche eine k&k-Produktion war am Anbeginn der Entwicklung des Automobiles und die für jene Zeit bemerkenswerte und standfeste Vehikel auf die Welt brachten (und deren Konstrukteur Ferdinand Porsche) hieß, dominierte überhaupt dieses Jahr.

 

Indem mir aufgetragen wurde, ein Buch über den Neuaufbau des Austro Daimler Alpenwagens zu gestalten in Bild und Schrift, war ich heuer der Erste seit über 100 Jahren, der dieses Auto ablichten konnte.

 

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Auch der BMW 505-Dienstwagen von Konrad Adenauer wurde mir als Fotograf piekfein restauriert serviert. Erster! Das BMW-Museum möchte aber nicht, dass die Bilder extramuseal gezeigt werden, weshalb hier auch keines zu sehen ist……..

 

Weiters ist man Erster, wenn man Songs schreibt und ein neues Album veröffentlicht. Heuer passiert mit Anna Katt und unserem dritten Longplayer. Mit diesem fabulösen Trio stand ich auch zum ersten Mal seit sehr Langem wieder musizierend auf einer Bühne. Meine pubertären Kinder wünschten sich in der akuten Peinlichkeit zwar einen anderen Vater, aber es war halt auch ihr „erstes Mal“.

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Gemeinsam mit meiner Tochter jedoch, mit der ich einst den Film „Cerro Torre“ im Kino gegangen war, erlebte ich heuer auch ein erstes und gleichzeitig letztes Mal.

Wir Älteren sind ja an das Faktum des Todes gewöhnt, aber das plötzliche Ableben von David Lama indes war trotzdem sehr irritierend. Am Tag vor seiner Abreise nach Kanada war er bei uns zuhause auf ein kleines Shooting. Wir unterhielten uns über Risiken und Verderben, aber er hielt nicht viel darauf. Du weisst nie, wann es soweit ist, sagte er. David war ein sehr besonderer, hochinteressanter Mensch und trotz der nur relativ kurzen Begegnung tat uns die Nachricht seines Todes, der ihn keine zwei Wochen später ereilte, aussergewöhnlich weh.

 

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Der Letzte zu sein bedeutet in sich, noch das Leben zu atmen, immerhin. Vor diesem Hintergrund war ich heuer mit hoffentlicher Sicherheit nicht der Letzte, der den 90-jährigen Ernst Piëch in seinem neuen Auto ablichtete. Der Moment war übrigens sehr berührend, denn seine Freude war kindlicher Natur im Probesitzen und Ausprobieren und Studieren des Vehikels. Ernst Piëch musste in diesem Jahr das Ableben seines jüngeren Bruders Ferdinand ertragen, welcher für Jahre den Volkswagen-Konzern geleitet hatte. Ihre Beziehung überdauerte 82 Jahre.

Ernst Piëch nahm am 13. Mai zum ersten Mal in seiner neuen Gurke Platz. Weil auf Ö3 nicht die Feuerwerksmusik von Händel lief, drehte ich das Radio ab. Ab dann wurde sogar die Stille ehrfürchtig.

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Der Erste und der Letzte zu sein hat etwas Biblisches an sich, da Gott in Jesaya 44,6 meinte: Ich bin der Erste und bin der Letzte. Ähnliches sagte Jesus in der Offenbarung von sich: Ich bin der Erste und der Letzte (Kap 1,17 und 2,8). Da im Göttlichen das Vollkommene liegt, sind die beiden Herrn wohl auch Fotografen gewesen und dass die Ersten die Letzten sein können, lässt sich aus der Bibel ebenfalls erfahren.

Die Alten sagen: Es kommt, wie es kommt bzw. man muss es nehmen, wie es ist. In dieser Weisheit liegt nichts anderes als die Wahrheit aus dem Seelenwohle, welches uns mit Überleben umsorgt. Der Tod besagt bloss, dass wir zu diesem Augenblick alles, was wir getan hatten, überlebt haben.

So lebet und reuet es nicht!

Ein großartiges 2020 wünscht Euch

Euer Peter