Man kann ja viel machen im Leben. Man kann sich zum Beispiel ein Auto kaufen, ein schönes, altes vielleicht. Wenn man kann, kann man sich vielleicht noch ein schönes, altes Auto kaufen und wenn man dann immer noch will und immer noch kann, noch ein paar. Jedoch: Jede Garage wird irgendwann voll sein, selbst, wenn man die Autos hochkant einparkt. Ausserdem wollen die Prezionen gefahren werden, sie wollen serviciert sein und das kostet nicht nur viel Zeit.

Abgesehen davon: Der Mensch kann nur ein gewisses Maß an Schönheit ertragen, was natürlich obendrein die Frage aufwirft, ob noch mehr Exemplare ausgesuchter Schönheiten überhaupt sinnvoll sind. Natürlich könnte man die ganze Bagage auf den Markt werfen und mit der Kohle ein noch viel kostbareres Auto kaufen, doch die Preise für diese Kisten sind in den letzten Jahren ins Absurde gestiegen (2014 zB wurde ein Ferrari 250 GTO um schlanke 28,5 Mio. Euro vertickt).

 

 

Herr K. stand vor diesem Problem. Er sah vor allem auch, dass die besonders raren, schönen Exemplare nach den Auktionen in irgendwelchen Garagen verschwanden und nur dazu dienten, eine Sammlung zu vervollständigen. Jedenfalls waren sie bei den Oldtimer-Rallyes nicht mehr zu sehen und das war ein Jammer. Natürlich sind Autos eine stabile Wertanlage und Herr K. stand 2008 in seiner Garage und danke sich und Gott, sein Kapital keinem Investmentbanker überlassen zu haben, dennoch sollten sie nicht in verschlossenen Garagen verstauben…..

Wenn man nun kann, aber nicht mehr will, als man schon hat, macht das Kaufen keinen Sinn. Sondern man muss was bauen, denkt sich Herr K.! Und zwar ein altes Auto! Dem, was sich nun wie ein Widerspruch anhört, liegt indes eine coole Idee zugrunde. Denn Herr K. wollte ein Auto bauen, das es mal gegeben hat und das genau ein einziges Mal.

 

 

Er wollte aber keine Replika, sondern ein Original. Letzteres bedeutet, dass der Wagen in fertigem Zustand als Oldtimer durchgeht und diejenigen, die das beurteilen, sind nicht sonderlich entgegenkommend bezüglich einer Nachsicht oder Toleranz. Im Gegenteil: Das Auto muss beinahe zu 100% dem einstigen Wagen entsprechen, der ihm zugrunde liegt, was bedeutet, dass zB der Motor, der Rahmen und das Fahrwerk KEINE Nachbauten sein dürfen. Nur bei Kleinigkeiten werden Unschärfen geduldet.

Und hier beginnt nun die eigentliche Geschichte der „Donnerbüchse“. Herr K. kannte Herrn C., einen der kompetentesten Restauratoren vorzüglich historischer BMWs (und da ganz besonders der umwerfenden 507er). Die beiden unterhielten eine benzinbrüderliche Freundschaft und tun das immer noch. Eines Tages hatte Herr K. den Herrn C. gebeten, seine Ohren offen zu halten in bezug auf altes Zeug, das irgendwo herumläge und aus dem man vielleicht ein Auto bauen könnte. Herr C. legte seine Ohropax auf den Schreibtisch und hörte von einem Chassis, das in einem alten Bauernhof im Waldviertel vor sich her gammelte und angeblich zu einem AFM gehört hatte, einem einst sehr erfolgreichen Rennwagen der 40er/50er-Jahre. Nach einer langwierigen Recherche war der Verdacht bestätigt und Herr C. knöpfte dem Eigentümer das Trumm ab.

Das Kürzel AFM steht für Alexander v. Falkenhausen München. Falky konstruierte vor dem Krieg Motorräder für BMW, während des Krieges Panzer bei BMW, die aber nie fertig wurden. Nach dem Krieg war BMW am Boden und Falky machte sich mit seinem Zeichenbrett als Konstrukteur selbstständig. Er war aber auch Rennfahrer und trat bei den ersten Rennen, die von den Alliierten nach 1945 genehmigt wurden, mit seinem BMW 328 an, den er für ein paar Jahre in einem Versteck gehalten hatte. Er sah sich jedoch nicht als konkurrenzfähig mit diesem Wagen, also tat er, was ein Konstrukteur tun musste: Er baute den AFM, der, stets modifiziert und technisch verbessert, eine mehr als beachtliche Karriere im Rennsport hinlegte. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Letzte, was man vom AFM weiß, ist der Crash. Das Chassis soll überlebt haben, die Karrosserie jedoch nicht.

 

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Das Chassis also wurde also aus dem Waldviertel evakuiert. Nun galt es, die Teile für den Motor zusammenzusuchen und nach unzähligen Telefonaten, detektivischen Spürnasigkeiten, etwas Glück und vielen Monaten war auch diese Aufgabe gemeistert.

Selbstverständlich gab es für die Karosserie keine überlieferten Konstruktionspläne. Was existierte, war eine Handvoll alter Fotos…….und man hatte die Maße des Fahrgestells. Hier kam Herr W. ins Spiel. Der technische Zeichner ist eine Koryphäe in der Rekonstruktion historischer Autos und kann anhand von Fotografien einen millimetergenauen Plan erstellen. Wie das geht, erklärt er so: „Nicht jedes Foto ist geeignet. Wenn man ein geeignetes hat, wird der Standpunkt des Fotografen ermittelt. Dazu werden die Winkel der Vorder- und der Hinterachse abgemessen und davon der Standpunkt der Kamera abgeleitet. Die Höhenposition der Kamera ergibt sich aus anderen Fotodetails. Aus diesen Werten und den Maßen der noch vorhandenen Wagenteile kann man einen Umrechnungsfaktor bestimmen und aus diesem sämtliche anderen Maße eines Fahrzeuges ableiten.“ Gesagt, getan.

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Nach ungefähr zwei Jahren seit dem Startschuss waren nun die Rahmenbedingungen im Wesentlichen erfüllt. Nun also begann das Werkerl und die eigentliche Arbeit am AFM, die ich fotografisch dokumentierte, ging über zweiandhalb Jahre. Die Alu-Einzelteile der Karrosserie wurden manuell gefertigt, das Chassis überholt, der Motor von 2l auf 1,5l modifiziert und zusammengebaut, die Alusitze und der Lenkreif beledert, die Karosserie mit dem Chassis vermählt, der Motor eingebaut und an das Getriebe gekoppelt, die Farbauswahlen für Lack und Leder gefällt und viele tausende Arbeitsschritte dazwischen erledigt. Dann war er fertig, der AFM, bzw. sie, die Donnerbüchse. Party!

 

Es handelt sich um keinen Zufall, dass bei dieser Party auch ein gewisser Herr Dieter Quester anwesend war, denn er ist der Schwiegersohn des Alex von Falkenhausen. Dieter hat den AFM in Goodwood erstmals ausgeführt. Dabei ist ihm vor dem Rennen irgendwer ins stehende Auto gefahren und nach dem Rennen hat der AFM kleines bisschen gebrannt. Schon bei seiner Premiere begann der AFM also damit, seine Geschichte weiterzuschreiben. er wurde, wieder daheim, nochmals komplett zerlegt, repariert und optimiert.

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Die zweite Rundstrecke, auf der sich der AFM zeigte, war der Salzburgring. An einem kalten Novembertag hatten sich Herr K., Herr C. und ich ein weiteres Mal verabredet – für die finale Knipserei. Insgesamt neunmal hatte ich mit den beiden Herrn den AFM bzw. dessen Einzelteile in der Werkstatt nahe Steyr hin und her gehoben und geschoben.

Jetzt fährt er, der Motor erklingt und die Reifen quietschen. Er lebt. Das Beste ist: Der AFM hat eine Straßenzulassung! Er wird also in keiner Garage verstauben, sondern unterwegs sein und zwar, wie ich Herrn K. kenne, durchaus flott.

Als der AFM wieder in den Hänger kommt, überfällt mich Wehmut.

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Aber! Die gesamte Geschichte des AFM wird in einer Kleinstauflage als exklusives Buch erscheinen, das sehr umfangreich, jedoch nicht käuflich sein wird. Das Durchblättern wird mich trösten, denn immerhin durfte ich eine kleine Rolle während der Wiedergeburt der Donnerbüchse spielen. Für mich war es eine große Rolle und ich dankbar, dafür erwählt worden zu sein.

Herzlich, Euer

Peter

PS.: Wenn irgendwer von Euch von einem Chassis weiß, das irgendwo rumliegt…….!

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