„Forget the car.“
Das ist die Ansage, die Introduktion auf dem A8-Prospekt. Reflexive Frage: Wo?
Nein, Audi meint das anders und stellt im nächsten Dreiwortesatz klar: „Audi is more“.
Es geht also weniger um das Auto selbst als um das, was es alternativ noch alles kann ausser zu stehen und zu rollen. Als prominentestes Feature des neuen A8 wird das autonome Fahren propagiert, wodurch der Begriff des Automobiles, des sich Selbstbewegenden, also seiner selbst vollumfänglich gerecht würde.
Wir wollen den A8 aber nicht auf dieses eine Assistenzsystem reduzieren, weil Audi is more. Audi war aber auch schon less, vor allem der allererste A8, der damals Audi 200 V8 hieß. Das war 1988 und er sah fast genauso aus wie der 100er im Bild, ebenfalls Bj. ´88. Man hatte ihm ein Facelift verpasst und den V8 reingeschoppt und, man stelle sich vor, es gab sogar einen Kombi (Avant) davon. Einen einzigen. Aber dazu später.

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30 years later



Die Übergabe

Martin Oberwimmer, mein carguy der VOWA, lehrt mich in aller Kürze das Wichtigste: Das MMI kommt jetzt ohne Drehregler aus – alles ist Touchscreen und man muss ein Alzerl fester draufdrücken. Das Glas gibt ein wenig nach und antwortet haptisch wiewohl akustisch. Hat was. Überhaupt herrscht hier im Infotainment die Charakteristik von Google und Apple. Drücken, Wischen und Scrollen. Letzteres findet sein deutschsprachiges Äquivalent übrigens im Begriff des „Blätterns“, eine wörtliche Übersetzung existiert nicht.
Martin sagt mir noch ein „alles andere erklärt sich von selbst“ und lässt mich ziehen. Mein Sohn Toto auf dem Rücksitz hat unser Gespräch nicht verfolgt, weil er ein Gerät studiert, das mit dem Herunterklappen der Mittelarmlehne zum Vorschein kam, ein digitales Display hat und etwas zu können scheint.

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Die Abfahrt

Toto und ich rollen auf die rote Ampel zu. Die Ambiente-Beleuchtung verändert sukzessive die Farbe und Toto meint, das sei aber nett und sein Gerät, das einem Tablet ähnlich sieht, könnte scheinbar noch einiges mehr. Mir dagegen fällt auf, dass der 3-Liter-Sechszylinder-Diesel fast nicht hörbar ist, obwohl es Minus 2 Grad hat. Mit 286 PS ist er übrigens das schwächste Aggregat, das in den mindestens 2 Tonnen schweren A8 verbaut wird, der nächststärkere Diesel wäre ein V8 mit 435 PS. Die Benziner gehen von V6 mit 340 PS bis hin zum W12 mit 585 PS, der auch den Bentley Bentayga motorisiert. (Apropos engine-sharing: Es gab den A8 einst sogar mit einem extrascharfen V10, welcher ebenfalls einen gewissen Lamborghini Gallardo befeuerte….).

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Allradantrieb, Allradlenkung, Luftfederung!

Um dieses Thema gleich zu erledigen: Der A8 mit 286 PS wird vollbeladen auch auf der grössten Steigung nicht langsamer, also reicht die Leistung. Der Diesel schnurrt selbstzufrieden vor sich hin, hat genügend Überholreserven und harmoniert prächtig mit der Achtgang-Automatik. Natürlich gibt es eine Handvoll von Einstellungen, die den Wagen mitentscheiden lassen, ob man sparsam oder sportlich am Weg sein möchte. In der Mitte liegt indes der Komfort und dieser Fahrdynamik-Modus wird uns der Liebste sein.
Ich bringe Toto heim, nehme am Weg noch meine Tochter Leni und ihre Mädels mit, in vollkommener Komfortbefriedigung leise kreischende Pubertierende.

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Die Knipserei

Abends breche ich auf zum Fotografieren, weil es noch nicht schneit. Stattdessen fegt der Föhnwind durchs Inntal, jedoch nicht in seiner sommerlichen Frische, sondern in winterlicher Feindschaft. Weil sich niemand gern draussen aufhält, hab ich Ruhe bei der Arbeit.
Meine Knipserei dauert bis Mitternacht, ich bin allein mit dem Audi und unsere Beziehung entwickelt sich. Das Panorama-Schiebedach in Kombination mit der Einparkhilfe sind allein schon starke Kaufargumente. Die „Einparkhilfe“ ist ja etwas mehr als das, was der Begriff suggeriert. Normalerweise ist das ein Piepsen, das in einen Dauerton übergeht, je näher man an den Gegner heranrückt. Im A8 allerdings orientierst du dich am Display bis zur Abgewöhnung der Rückspiegel, so perfekt arbeitet das hier und die Kids fragten schon, wie das überhaupt geht, dass man den Wagen aus der Vogelperspektive am Bildschirm sehen kann. Man glaubte mir bis zu einem gewissen Grad. Das dressierte Vögelchen mit der umgebundenen gopro allerdings nicht mehr…..
Für einen Fotografen ist so ein System der best-case. Ich brauche niemanden mehr, der mir das Auto zentimtergenau einparkt, denn ab jetzt, im A8, mach ich das allein. Ein Blick nach oben, einer ins Display und das Auto ist genau dort, wo ich es haben will…..

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Der Ausflug

„Mein Weibchen, in einer Stunde müssen wir los. Was machen die Kiddies eigentlich?“.

„Naja“, sagt sie, „Toto liest, Leni macht Wellness und Niki spielt Auto“.

„Ok. Und wo sind sie?“

„Im Audi……“.

„Ok. Und seit wann?“.

„Seit 2 Stunden….“.

Das will ich sehen. Es schneit. Niki ist am Fahrersitz und chauffiert seine Geschwister über einen holprigen Feldweg, wie es aussieht. Toto sitzt hinten und ist auf Seite 193 der 370 Seiten starken Bedienungsanleitung des A8. Und Leni lässt sich vom Beifahrersitz massieren. Man hört Musik über die tadellose Bang & Olufsen-Anlage.

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Niki testet autonomes Fahren: Im Navi die Adresse des Bauern und Spracheingabe „Milch holen!“. Leni ist tiefenentspannt und Toto auf Seite 193.

Die Massagesitze sind ja insofern besonders, als dass sie nicht im herkömmlichen Sinne vor sich hin vibrieren, sondern über eine fundierte fachliche Ausbildung verfügen. In drei Intensitätsstufen und sechs Modi regelbar gehen sie ordentlich zur Sache, kennen deine Triggerpunkte und solltest du verspannt sein, wird dich dein Nachbar an der roten Ampel nur deshalb nicht schreien hören, weil der Audi über schalldämmende Verglasung verfügt.

Abfahrt. Wir müssen in die Hauptstadt, wo es ein Kino gibt. Star Wars, die letzten Jedi. Mittlerweile sind wir eingeschneit, es liegt schon ein halber Meter. Der Quattro-A8 kämpft sich rückwärts auf die Straße, die vier weitwinkligen Umgebungskameras erkennen einen Verkehrteilnehmer, der, ebenfalls ein Quattro,  in entsprechendem Tempo wieder weg ist (die Allrad-Audis hätten ja beinahe „Quadro“ geheißen, aber Ferdinand Piech fand, das klänge zu weich). Durch die Allradlenkung ist nicht nur das Ein- und Ausparken ein Spaß, sondern auch das Handling in kurvenreichem Geläuf. Sie macht aus dem 5-Meter-Schiff ein agiles Schnellboot, das mit geringen Lenkeinschlägen gieriges Kurvenfressen ermöglicht.
Der A8 liegt satt auf der Straße, die Schneefahrbahn ist ihm egal. Wir empfinden uns in diesem Auto wohlbehütet und in Sicherheit.

Die adaptive Luftfederung fühlt sich von Bodenwellen eitel belustigt und hält kurvenbedingte Seitenneigungen für anachronistische Physik – Eskapaden.

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Es interessiert uns natürlich, ob sich der Audi auch provozieren lässt und weil zufällig ein größerer, verschneiter Parkplatz am Weg liegt, fahren wir kurz rein. Wir deaktivieren alles, was wir finden können und wählen den Fahrmodus „dynamic“. Hier werden die Schaltzeitpunkte nach oben in den Bereich des maximalen Drehmomentes verlegt (ca. 3000 U/min und 600 nM) und der Wagen duckt sich. Vollgas, Einlenken und siehe, ein kleiner Drift ist drin, bevor das ESP eingreift. Alles klar, dafür wurde der A8 nicht gebaut. Er ist die perfekte Reiselimousine.

Da es schon dunkel ist, dürfen wir das LED-Licht genießen, das wir auf Fernlicht-Automatik gestellt haben. Wir sind ja gewöhnt an die Karbid-Funzeln unseres alten Volvo, aber was der A8 hier zeigt, ist schon sehr überraschend. Denn irgendwie scheint er zu wissen, dass wir im Ortsgebiet sind und er leuchtet verhalten, aber kompetent. Dann kommt die Ortsende – Tafel und der tiefe, dunkle Wald. Im Moment blendet der Audi auf und es ist so, als würde der große Vorhang aufgehen und eine voll ausgeleuchtete Bühne zum Vorschein kommen. Gegenverkehr verursacht eine partielle Zurücknahme des räumlichen Lichtspektrums, gleich danach wird´s wieder fast taghell.
Very impressive. Als Option soll es ja auch noch Laserlicht geben. Da wird bei Gegenverkehr nicht mehr abgeblendet, sondern er wird verdampft.

Wir erreichen Innsbruck. Die Kinder haben sich das Tablet im 10- Minuten-Takt übergeben, im selben Rhythmus änderten sich Radiosender und Ambientebeleuchtung. Das Assistenzsystem, das den A8 autonom einparken lässt, kommt erst Mitte des Jahres, aber dank Allradlenkung und Kameras macht das auch so Freude.
Kino in 20 Minuten. Die Kids fragen, ob sie vielleicht im Auto warten dürften……
Star Wars aus, Audi eingeschneit. Anstatt die Heckscheibe freizumachen, parken wir per Kameras aus. Frontscheibenlüftung ein und keine zwei Minuten später herrscht klare Sicht. Dieses Auto beeindruckt uns immer mehr, denn es besticht nicht nur über die Selbstverständlichkeit in den Funktionen der Parade-Features, sondern macht auch die einfachen Themen wie Heizung, Lüftung, Klima, Scheibenwaschanlage, Licht etc. nicht bloss gut. Der A8 kann das alles besser und gerade diese grundlegenden Qualitäten schaffen die Basis für ein tiefes Vertrauen zwischen uns und dem Wagen.

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Das Design

Der Audi 100 war seinerzeit Weltrekordhalter im Luftwiderstandsbeiwert, je nach Ausführung lag er zwischen 0,29 und 0,34 cw. Diese Daten waren einer strömungsgünstigen Form geschuldet und das ist beim neuen A8 nicht anders. Als Gesamtes wirkt er aus jeder Sicht sophisticated, elegant, gestreckt und ist im Grunde eine klassische Oberklasse-Limousine. Die Optik wird allerdings sehr stark beeinflusst von seiner Farbe und der Dimension der Räder. Mein A8 in Silber und den 19-Zöllern ist kein A8 in Mythos-Schwarz-Metallic mit 20-Zoll-Alu-Gussrädern im 5-Arm-Turbinen-Design in Magnesiumoptik, glanzgedreht, sondern angenehm dezent.
Gibt der A8 sich nach aussen also verhalten opulent, spielt das Interieur in der Klasse der Noblesse. Leder, Holz, Alu und Glas sind die Werkstoffe der Wahl. Optional lässt sich das alles noch gegen Geld auffetten, aber der A8, den wir da haben, reicht schon. Alles wirkt nicht nur, sondern ist hochwertig gestaltet. Die klare Struktur der Informationsträger wie Tacho und Mittelkonsole kommt ohne volkstümliche Schnörkel aus und folgt dem Credo der sancta simplicitas in subtiler Zurückhaltung.

Cockpit

Autonomes Fahren: Der A8 könnte innen auch so aussehen….


Der Sinn

Der A8, als Flaggschiff der Modellpalette, trägt alles in sich, was zu diesem Zeitpunkt möglich ist. Dazu gehört eben der Staupilot, der autonomes Fahren auf Stufe 3 ermöglicht. Audis Konzeptautos beherrschen im Übrigen bereits vollautonomes Fahren. Nur die Gesetzgeber lassen Audi noch zappeln…..

Der Sinn des A8 erschließt sich im komfortablen, entspannten Reisen bzw. im Fahrspaß an sich. Wer sich für den langen Radstand und das Chauffiertwerden entscheidet, kann im Fond bei sehr großzügigen Platzverhältnissen eine büroähnliche Umgebung nutzen und seine Arbeit unterwegs erledigen. Wenn das Auto aber selbst fahren, ein- und ausparken kann, werden die Lohnverhandlungen mit dem Chauffeur nach neuen Mustern abzulaufen haben.

 

 

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Der A8 und die Quellen seiner wichtigsten Komponenten: Energie (48V-Bordnetz!) und Aluminium.

 

 


Fazit

Ja, der Wagen ist durch und durch faszinierend und lässt immer wieder etwas Neues entdecken. Und ja, ich könnte mir ihn als Privatauto vorstellen, was eher selten vorkommt, denn eigentlich mag ich alte Gurken wie den Iltis, den Munga, den Nasenbären oder den GT quattro.

Aber der hier……lässt mich einlenken und Autos ab Bj. 2018 schätzen zu lernen. Die Kids würden den A8 am Liebsten behalten und versuchen die Rückgabe mit einem massageunterlegten Sitzstreik im Audi zu vereiteln. Es sei der krasseste Wagen, ohne Scheiß, den ich jemals rangezogen hätte, alle anderen Schüsseln wären dagegen mega-ranzig.

„Forget the car“, sage ich.

„Wie denn?“, sagen sie.

Ja! Wie nur?


PS.:

Mein herzlicher Dank ergeht an Martin Oberwimmer für die kostbare Leihgabe und an Martin W., der den A8 für die Mitzieher gefahren ist und seinen 100er als Fotomodell zur Verfügung stellte! Cheers!

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Martin hat einen VW T5, einen Audi 100 ´88er, einen Mercedes 200 ´67er, sowohl einen hässlichen Fiat und einen ebenso hässlichen Renault für die schönen Töchter, eine Honda und eine Kawa und sonst nichts zu tun, ausser ein paar Menschen zusammenzuflicken, die mit Hondas, Kawas oder Atomics ungeschickt unterwegs waren 😉