Es fehlen ca. 3400 Tonnen Salz, als wir die gigantische Säulenhalle des Salzlagers Hall in Tirol entern. Fünfzehn 9 Meter hohe Säulen aus leicht angenagter Höttinger Brecchie teilen den 1200 qm großen Raum in zwei Hälften. Nachdem die Tiroler auf Meer- und Himalayasalz umgestiegen waren, wurden die restlichen Kristalle aufgesaugt, der Boden gewischt und die historistische Hütte für Veranstaltungen fit gemacht. Nun wird der Raum bespielt mit Events aller Arten –  Kunstausstellungen bis hin zu Hochzeiten ergeben sich dem Flair des Raumes, der dank ausgeklügelter Lichtsysteme jeder Atmosphäre angepasst werden kann.

Seit ausgesalzen ist, herrscht also rege Betriebsamkeit in der Halle und es wurden darin sogar schon Autos präsentiert. Nie aber welche eigens abgelichtet. Mit einigem Stolz berichte ich, dass mir diese Gunst und Gnade als Erster zu Teil wurde, was wiederum die Frage aufwarf, welcher Wagen denn die Ehre verdienen würde, in solch einem gewaltigen Umfeld wirken zu dürfen. Die Entscheidung fiel gegen den neuen Audi RS6, weil er in keiner Farbe zu bekommen war, sondern nur in Steinbeißer-Grau. Eine Farbe hatte ich mir aber eingebildet und zwar eine, die knallt wie eine giftgrüne Spirituose.

Und so kam es, dass an einem wunderschönen Tag im Juni – unmittelbar nach der Influenza-Krise, an der heuer mehr Menschen gestorben waren als an Corona – zwei Typen vor dem Salzlager in der Sonne standen und auf ein giftgrünes Auto warteten, das früher zu hören als zu sehen sein sollte.


Martin, der Herr des Hauses, meint mit gütiger Stimme, dass wir wahrlich keinen Stress hätten heute und so lange arbeiten könnten, wie wir wollten, denn Veranstaltungen würde es wegen der Krise bis auf Weiteres eh keine geben. Und er hängt an, dass er und seine Kollegen die Zeit genutzt- und das Haus auf Vordermann gebracht hätten. Alles frisch gestrichen, lackiert, gemacht. Wow, denk ich mir, das wird ein feiner Tag!

Der Tag beginnt in Wahrheit mit der Ankunft von Hari. Er erscheint aber nicht in Grün, sondern mit einem Lieferwagen und einem leeren Autoanhänger. Denn er habe eine nächtliche Vision gehabt, erzähle sie uns aber später, denn er muss die restlichen Autos holen. Schwingt sich auf den Roller und ist sportiv dahin. 10 Minuten später spotzt ein unterbeschäftigter 8-Zylinder um die Ecke und ersticht mit Grün das Auge. Das flache Geschoss aus den 70-ern nennt sich DeTomaso Pantera GTS. Mehr als 5 Liter Hubraum, mehr als 300 PS, weniger als 1500 kg und ohne den grauslichen Heckspoiler. Dafür aber in insektenhaftem Giftgrün in der klassischen Kombi mit Schwarz. Oh yes!

 

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Hari rollert wieder davon und kommt mit seinem zweiten DeTomaso, der jedoch den Taufnamen Innocenti Mini trug. Selbe Lackierung. Welch Zeiten waren das im Design: Der Pantera war eine Schöpfung des Tom Tjaarda, der übrigens auch den ersten Ford Fiesta entworfen hatte und der Innocenti entstammt keinem geringeren Designstudio als jenem von Bertone. Der Innocenti beruht tatsächlich auf der Technik des Mini (Cooper) von British-Leyland, während der Pantera neben der Verbindung zum amerikanischen Designer niederländischer Herkunft noch einen zweiten Draht zu Amerika hatte: Der Motor war aus dem legendären Ford GT. Beide zählen schon zu den Oldtimern, auch wenn sie jünger aussehen. Und beide sind optisch und technisch in einem Zustand, der uns als Menschen nicht vergönnt ist nach der langen Zeit des Daseins. Denn wären uns an jedem Gelenk Schmiernippel nicht lieber, als Yoga zu machen?
Egal.

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Zurück zum Salzlager: Hari fährt den Pantera rein und gewinnt die Lufthoheit nicht nur akustisch, nein, es duftet nach Giftgrün. Danach geigt auch der Mini sehr süß auf und Hari erzählt von seinem Traum: Der Pantera solle auf dem Anhänger vom Mini gezogen werden. Dass der Mini durch die Anhängelast mit den Vorderrädern in der Luft wäre, konnte durch das Stützrad des Anhängers vereitelt werden, das sich später durch die Auslöschung via Photoshop in seiner hilfreichen Tat beleidigt fühlte. Haris Idee jedenfalls hat funktioniert, wie man am Bild der Fuhre sieht: Der kleine Bertone fährt mit dem Tjaarda spazieren 😉

 

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So begann also die Schießerei und das Salzlager erwies sich als großzügiger Raum für ein Gespann von über 6 Metern, denn dort herrscht einfach Platz im Übermaß. Auch das durch die vielen und großen Fenster einfallende Licht war trotz der Mittagszeit indirekt und sorgte für ein helles, aber gedämpftes Umfeld. Durch die Leere und Dimension des Raumes ließen sich auch die Spiegelungen der Fenster im Lack ausgezeichnet steuern, sodass der Raum zwar am Wagen zu sehen ist, jedoch niemals störend, oder?

 

 

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Zwar schieben wir die Autos viel hin und her, aber für gröbere Manöver startet Hari an und ein jedes Mal handelt es sich nicht um Lärm, sondern um technische Musik, welche das gesamte Salzlager mitschwingen lässt. Das klangstarke Oktett im Heck, das hier quasi im Standgas aufspielt, würden wir gern bei hohem Tempo erleben. Also fragen wir Hari, wie das denn sei, aber er scheint die Frage nicht gehört zu haben 😉

 

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Da wir Zeit hatten, ließen wir sie vergehen und knipsten bis 5 Uhr abends, verabredeten uns aber noch für 21 Uhr, um mit Kunstlicht zu arbeiten. Um diese Zeit liegen wir alten Leute normalerweise schon mit Schlaftee im Bett und schauen Tatort, wo wir uns vor Spannung in die Windel machen, aber heute heißt es, tapfer durchzuhalten.

Martin rotiert, indem er das Licht in Frage stellt. Auf dem Hubwagen richtet er die Deckenscheinwerfer ein und fährt in 10 Metern Höhe durch den Saal. Er macht das in sagenhafter Gelassenheit, während wir unten zittern, aber in präzisen Wissen um sein Tun. Zack, und das Licht steht, der Hubwagen ist aus dem Bild und die restliche Lichtkomposition erledigt. Wow!

Wir stellen den Pantera quer in den Raum und versuchen uns an diversen Lichtsituationen, nicht nur um zu sehen, was gut wirkt, sondern auch, um gesehen zu haben, was möglich ist. Und die Möglichkeiten sind ziemlich beeindruckend. Ein kleiner Auszug:

 

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Und während wir (Martin) uns den Variationen hingeben, wird es laut vor der Tür. Hari ist eingefallen, dass er noch ein Auto hat und dachte sich, dass etwas Schwarzes sicher interessant sei im Kunstlicht. Martin wittert kurz, sucht im Dunkel den Hubwagen und findet das richtige Licht im Nu. Er spielt sich noch im Feinjustieren und danach stehen wir in weiter Distanz zum Wagen und wechseln wenige geistreiche Worte wie: Mah. Geil. Pfoah. Bumm.

 

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Dankenswerterweise hat der deutsche Wortschatz einiges zu bieten, um der Sprachlosigkeit zu entfliehen, aber tatsächlich gab es nichts zu sagen und selbst die Bilder können die herrschende Atmosphäre nur rudimentär wiedergeben:

Der Alfa GTV ist ein Entwurf jenes Menschen, der unter anderen den VW Golf, den Lotus Esprit oder den BMW M1 geschaffen hatte und heisst folgerichtig Giorgio Giugiaro. Der Wagen, in diesem Licht in dem gewaltigen Raum des Salzlagers, bei völliger Stille. Manche Momente sind nachgerade heilig im plötzlichen Erleben. Da mussten wir den Pantera in flüsterlichtem Übereinkommen auch nochmal hinstellen.

 

 

 

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Um 23 Uhr drehte Martin die Lichter ab, Hari brachte seine penibel gesäuberten Autos aufgrund des Regens nicht mehr heim. Sie standen die Nacht über noch dort wie Reliquien in einem heiligen Schrein.

Das Salzlager hat als Location für die Fotografie ein Rundum-Glücklich Programm zu bieten. Es geht jeder Winkel bis hin zur Vogelperspektive und der immense Raum eröffnet Möglichkeiten, welche zu erkennen man erst lernen muss. Dabei hatten wir uns bloss auf die Säulenhalle beschränkt, denn es gäbe noch den Salon und das Magazin mir jeweils 400 qm. Dazu kommen noch Nebenräume, ein irrwitziger Dachboden und vor allem das Haus selbst, welches ja von aussen ebenfalls äusserst attraktiv ist. Und so wäre es reizvoll, Raum für Raum fotografisch zu erobern……

 

Vielschichtigen und herzlichen Dank an Martin und Hari für die Möglichkeiten, die Geduld und das unbedingte Wollen!